Abschied

Veröffentlicht auf von Janina Auer

Traurig blickte ich zurück und hob die Hand mit dem Bogen ein letztes mal zum Gruß.
Ich stieß den hellen Ruf des Gimps aus der hundertfach aus dem Lager zurückschallte. An der großen Hütte standen Talima und Karina und winkten mir ebenfalls zu.
Ich sah die Lippenbewegungen von Karina und wusste die Worte die sie still vor sich hinmurmelte.  Wie gerne wäre sie mitgekommen.
Seit der Begegnung mit dem Assasin hatte sich mein Leben verändert. Ich fühlte mich selbst hier in den Wäldern nicht mehr sicher. Jedes knacken oder brechen eines Ast ließ mich herumfahren.
Die Schwestern versuchten mich zu beruhigen aber seit dem gestrigen Vorfall stand mein Entschluss fest. Wehmütig drehte ich mich um und stieg den Hügel hinab um einem kleinen Bachlauf zu folgen.

Irgendwo mündete dieser Bach in den Vosk und ich würde daran entlang wandern.

Das Gepäck hatte ich auf mehrere Tragetaschen verteilt. Ein Großteil meines Gepäcks bestand aus Kleidung. Wenn ich untertauchen wollte, brauchte ich unauffällige Kleider. Noch trug ich die Kleider meines Stammes. Gestern Nacht noch hatte ich meine Haare abgeschnitten und mit Hilfe einer Tinktur, die die Heilerin für mich gebraut hatte, schwarz gefärbt. Sie hatte mir auch eine kleine Dose dunkeln Puders gegeben, mit dem ich Teile meines Gesichts färben konnte. So wurde mein frauliches Gesicht härter und man konnte mich fast mit einem jungen Mann verwechseln.

Langsam und konzentriert folgte ich meinem Pfad und tauchte bald im halbdunkel des Waldes ein.

Der kleine Bach wurde, gespeist von vielen kleinen Zuflüssen rasch größer. Die starken Regenfälle der letzten Tage taten ein übriges und hatten den Bach anschwellen lassen. Ich folgte ihm, musste aber immer wieder Umwege gehen, da große Teile des Waldes überflutet waren.
Da ich wusste, das es hier einige Tiere gab, die mir liebend gerne das Fleisch von den Knochen gerissen hätten, nahm ich diese Wege gern in kauf.

Trotzdem atmete ich auf als ich die Anhöhe vor mir sah in der eine der Grotten lag.

Vorsichtig näherte ich mich dem Eingang der Grotte. Zu häufig waren Sleen und Larl dort schon aufgetaucht.
Ich lauschte und zog die Luft durch meine Nase. Dann untersuchte ich den Eingang auf Spuren.

Nichts.
Den Priesterkönigen sei dank.
Die Grotte war sicher. Schnell huschte ich hinein und zog das Gitter, das an der Seite stand, vor den Eingang. Jetzt kam kein ungebetener Gast mehr so einfach hier herein. Ich tastete mich im Halbdunkel nach vorne bis ich die Hauptgrotte ereichte.
Lichtfinger fielen durch Felsspalten nach unten und tauchten die Grotte in ein grünlich schimmerndes Licht. An der rechten Seite fiel in dünnen Strahlen helles Wasser von den Farnbedeckten Felswänden und sammelte sich in einem Felsbecken. An der anderen Seite war eine aus Steinen errichtete Kochstelle und trockenes Holz lag ebenfalls bereit. Ich legte das Gepäck und die Waffen ab und begann Zunder und kleine Zweige in die Kochstelle zu legen. Dann nahm ich einen Stein und mein Messer und hieb so lange kleine Funken auf das Holz bis einer den Zunder entfachte und eine zaghafte Flamme zu sehen war.

Schnell legte ich kleine Zweige hinzu und schon bald loderte ein Feuer in der Kochstelle. Ich stellte einen Topf mit Wasser darauf und freute mich schon auf den Tee, den ich mir bereiten wollte.

Später saß ich mit dem Becher Tee und einem Stück Sa Tarna Brot vor dem Ofen und starrte in die Glut.

Gestern morgen war ich neben Lara aufgewacht.
Sie atmete ruhig und gleichmäßig während ich mich sanft aus dem Fell befreite, ihr einen Kuss auf die Stirn gab und aufstand.
Ich ging den Hang hinauf zu der Stelle, an dem das Wasser den Felsen hinabstürzte und sich in einem kleinen Becken sammelte. Dort legte ich meine Sachen ab und sprang unter das plätschernde Wasser. Meine Lebensgeister waren sofort geweckt und nach der schwülen Hitze der Nacht war es eine Wohltat, die kühle des Wassers zu spüren.
Ich rieb meinen Körper mit dem Sand, welcher an einer Stelle des Beckens lag, ab und fühlte mich danach wieder frisch und sauber.

Dann legte ich mich einen Moment auf einen Stein, der bereits von der Sonne erwärmt wurde. Im nu waren die Tropfen von meiner Haut verschwunden. Ich zog die Fellkleidung wieder an und schlüpfte in die Lederstiefel.
Als ich in meine Hütte zurückkam war Lara schon wieder weg. Sie hatte aber schon das Frühstück bereitet welches ich gierig verschlang.

Der Tag verging bis zum Mittag ohne große Vorkommnisse. Ich traf mich mit Talima und Judy. Wir sprachen über Port Jasmine und das wir eine unserer nächsten Reisen dorthin planten.
Gegen Mittag reiste dann Judy und ihre Begleitung ab mit unserem Versprechen, noch vor dem 3 Mondwechsel zu ihr zu kommen.

Das es eine viel längere Zeit dauern würde, bis ich Judy wieder sehen würde, ahnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand.

Es dämmerte bereits als das Unglück begann.
Wir saßen am Feuer auf einfachen Baumstämmen, als ich das metallische klicken einer Armbrust hörte.
Ich ließ mich in einem Reflex einfach nach hinten fallen und spürte noch den heißen Luftzug des Bolzen der über mich strich. Im selben Augenblick hörte ich die schrillen Schreie unserer Wachen.
„Bleib liegen und rühr dich nicht“ schrie mir Karina zu und sprang auf. Diese Bewegung rettete ihr wohl das Leben denn der Bolzen traf sie nicht in den Kopf sondern fuhr, mit einem dumpfen Geräusch,  in ihren Oberschenkel. Sie wurde von dem Anprall und dem Schock förmlich nach hinten gerissen, drehte sich noch einmal um die eigene Achse und sank stöhnend ins Gras.

Mit aufgerissenen Augen sah ich Lara in der Schusslinie auf mich zu rennen. Ich sprang auf und rief ihr zu das sie verschwinden soll. Hilflos sah ich die vermummte Gestalt hinter dem Baum vortreten.
Die Armbrust lag an der Schulter.

Die folgenden Momente vergingen unendlich langsam und brannten sich mit jedem Detail in mein Gedächtnis ein. Ich sah, wie der Zeigefinger des Mannes sich krümmte, konnte das klicken, als der Hebel die Sehne freigab, hören und sah den Bolzen, getrieben durch den Federstahl der Armbrust nach vorne schießen.
Im selben Moment bohrte sich ein Pfeil durch den Hals des Mannes und ich sah das verblassende Licht seiner Augen.

Ich war wie gelähmt und sah den Bolzen aus der Armbrust weiter auf mich zufliegen. Mein Leben zog in kurzen schnellen Bildern an mir vorbei. In dem Moment, an dem ich den Aufprall des Bolzen auf meinen Körper wahrnehmen musste, flog Lara in meine Arme und riss mich zu Boden.
Ich prallt mit dem Kopf schwer auf den Boden und blieb einen Moment wie betäubt liegen. Aus weiter Ferne nahm ich Kampfgeräusche und schreie war. 
Unfähig mich zu bewegen blieb ich liegen.
Jemand rüttelte mich und rief meinen Namen.

 

Die Stille die plötzlich eintrat war unnatürlich.
Selbst die Geräusche des Waldes waren verstummt.

Ich konnte plötzlich wieder hören und bewegte vorsichtig die Finger meiner Hand.

Ein Gewicht lastete auf mir und drückte mich nach unten. Vorsichtig drückte ich meinen Oberkörper hoch und drehte den Kopf.

Aus vielen Ecken des Tals, aber auch aus unmittelbarere Nähe drang das Stöhnen der Verwundeten.

Ich drehte meinen Oberkörper weiter, bemerkte das Lara halb auf mir lag und blickte in ihr Gesicht.
Ihre vollen Lippen wirkten seltsam fahl und ihre sonst so strahlenden Augen waren stumpf. Sie verzog ihren Mund und versuchte ein Lächeln, welches aber eher einer Grimasse glich.

Ich richtete mich weiter auf und zog sie in meinen Schoß.

Mit einem Blick konnte ich die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage erkennen.
Der Bolzen, der mir gegolten hatte, war in ihren Rücken gedrungen und steckte bestimmt tief in ihr. Ihre rechte Seite war rot von Blut, welches stoßweise aus der hässlichen Wunde quoll. Bei jedem Atemzug kam ein gurgelndes Geräusch aus dieser. Sie versuchte zu sprechen doch ich verschloss ihre Lippen mit meinem Kuss. Blut drang in meinen Mund und ich konnte durch meine Tränen nur noch verschwommen sehen.
Ich musste sie freigeben um selbst Luft zu holen als sie flüsterte „Ich liebe euch Herrin“.

Ich nickte nur da ich nicht antworten konnte. Meine Tränen tropften auf ihr Gesicht und ich versuchte sie wegzuwischen. Sie lächelte, steckte ihren Körper noch einmal, zitterte und lag plötzlich still. Das funkeln ihrer Augen verließ sie während ich sie, wie betäubt in meinen Armen hielt.

 

Einige Stunden später erst erlaubte ich der Heilerin, Lara wegzubringen.
Wieder einmal war mir jemand, der mir Lieb geworden war, genommen worden.

Karina hatte eine tiefe Wunde im Oberschenkel die heftig blutete. Die Heilerin hatte einiges Geschick aufbieten müssen, um erst den Bolzen aus der Wunde zu holen und dann die Wunde zu verschließen. Drei Schwestern waren notwendig Karina auf dem Boden zu halten damit die Heilerin die Wunde ausbrennen konnte.  Glücklicherweise waren die Bolzen nicht vergiftet und mit der Zeit würde wohl nur eine Narbe zurückbleiben.

Talima hatte einen Messerstich in den Oberarm sowie einen Streifschuss an der Schulter erlitten.
Vier weitere Schwestern waren Tod und viele andere leicht verwundet.

Ich saß die Nacht am Lager von Lara und betrachtete ein letztes mal ihr Gesicht.

Die Heilerin hatte sie waschen lassen und nun lag sie, eingehüllt in ein helles besticktes Repptuch, auf einer Trage. Ich streichelte sanft ihre kühle Lippen und summte ein Lied aus meinen Kindertagen leise vor mich hin.

Immer wieder füllten sich meine Augen mit Tränen und verschleierten meinen Blick.

So bekam ich auch nicht mit, das Karina plötzlich neben mir saß und mich trösten wollte. Aufschluchzend warf ich mich in ihre mütterlichen Arme.


Der Morgen dämmerte bereits als ich aus meiner Hütte trat. Gleich nach der Beerdigung von Lara wollte ich aufbrechen.

Weder Karina noch Talima konnten mich von meinem Entschluss abhalten.

Ich hatte ihnen diesen noch in der Nacht mitgeteilt.

Mein Gepäck hatte ich bereits an eine Stelle im Tal gebracht. Nun ging ich zu der Anhöhe, an dem wir unsere Toten verabschieden.

Ich stand vor den fünf Gestellen auf denen die Körper lagen. Unter ihnen war trockenes Holz aufgestapelt welches dann in Brand gesetzt werden sollte.

Die fünf toten Angreifer waren von den Schwestern weggeschafft und in eine Felsspalte geworfen worden.

Die Sonne ging grade auf und die Strahlen ließen das Gesicht Laras leuchten.

Ein letztes mal ließ ich meine Finger über ihr Gesicht wandern.

Ich rückte das Collar mit meinem Namen zurück und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Ein Räuspern weckte mich aus meinen Gedanken.
Talima stand hinter mir und legte ihre Hand auf meine Schulter. In meinem Schmerz hatte ich nicht bemerkt, wie die Schwestern dazugekommen sind.

„Möchtest du noch etwas sagen“? fragte mich Talima.
Ich konnte nur den Kopf schütteln. Zu sehr schmerzte der Verlust.

Talima sprach viele Worte über die Verstorbenen.
Dann bekam ich eine der fünf Fackeln in die Hand, bewegt mich wie in Trance zu Laras Holzstapel und setzte ihn in Brand.
„Sichere Wege Lara“, murmelte ich leise, drehte mich um und ging ohne mich noch einmal umzublicken den hang hinunter zu dem Platz an dem ich mein Gepäck abgelegt hatte.


Ein Käfer glühte kurz auf und es zischte als er in der Glut des Kochfeuers verdampfte.

Ich seufzte, wickelte mich in mein Fell und schlief schnell ein.

In dieser Nacht träumte ich von Kassau und seinen Zylindern.

Veröffentlicht in Geschichten aus Gor

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